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Auswirkung eines Schultraumas auf das Privat- und Berufsleben sowie auf die Erziehung

Selbst lange Zeit nach dem Schulabschluss kann sich ein unverarbeitetes Schultrauma auf vielfältige Weise im Alltag der Betroffenen bemerkbar machen. Neben verschiedenen körperlichen Symptomen (s.u.) erleben traumatisierte Erwachsene oft Albträume und sogenannte „Flashbacks“. Dahinter verbirgt sich ein unvermitteltes und als sehr real wahrgenommenes Wiedererleben der traumatischen Situation. Ausgelöst werden diese Flashbacks in der Regel durch Reize, die die Betroffenen an das Erlebte erinnern. Während der Flashbacks empfinden die Personen wie in dem Moment, in dem sie damals in der Schule traumatisiert wurden. Auf diese Weise tritt die Erinnerung an das Geschehene wieder aktiv in ihr Bewusstsein und verstärkt mitunter bereits bestehende körperliche Symptome, die das Schul-Trauma bei ihnen ausgelöst hat.

Auch auf das Berufsleben kann sich ein Schul-Trauma nachhaltig auswirken. Der Autorin Mira C. Mühlenhof zufolge können beinahe die Hälfte aller Coaching-Anfragen bei Erwachsenen auf ein Schultrauma zurückgeführt werden[0]. Die Betroffenen suchen in diesen Fällen Hilfe und Beratung, um beispielsweise mit Lampenfieber, Präsentationsangst und übermäßiger Selbstkritik besser umzugehen. Was viele nicht wissen: Oft sind – mehr oder weniger bewusste – negative Ereignisse aus der Schulzeit für einen Mangel an Selbstbewusstsein verantwortlich. Zudem kann eine ungerechte Behandlung durch Lehrkräfte dazu führen, dass Talente wie Kreativität und Durchsetzungsfähigkeit verloren gehen. Mögliche Folgen zeigen sich im späteren Berufsleben beispielsweise, wenn es darum geht, bei Brainstormings zu punkten oder eigene Erfolge bei Gehaltsverhandlungen ins rechte Licht zu rücken.

Auch bei der Erziehung der eigenen Kinder kann sich ein verdrängtes Trauma bemerkbar machen – beispielsweise, wenn es darum geht, sich in die Probleme der Kinder hineinzufühlen. Berichten Kinder über Konflikte oder Ängste im Schul-Kontext neigen traumatisierte Eltern eher zu abwehrenden und beschwichtigenden Aussagen wie „Da muss mein Kind einfach durch“ oder „Mein Kind wird an dieser Herausforderung wachsen“. Damit vermitteln Eltern ihren Kindern jedoch, dass sie ihre Probleme nicht wirklich verstehen und ihnen entsprechend auch keine angemessene Unterstützung bieten können. Als Folge ihrer eigenen Traumatisierung können Eltern zudem dazu neigen, sich der Situation ihrer Kinder hilflos ausgeliefert zu fühlen und keine Lösungsmöglichkeiten wahrzunehmen (z.B. Gespräche mit der betreffenden Lehrkraft oder Vertrauenspersonen an der Schule oder externe Hilfsangebote für das betroffene Kind). Andere traumatisierte Eltern tendieren wiederum zu übereifrigem Aktionismus, um ihre Kinder davor zu bewahren, ähnlich traumatische Ereignisse zu erleben wie sie selbst.

Ursachen und Symptome von Traumata bei Erwachsenen nach Mira C. Mühlenhof [1]

Vielfältige Ursachen können die Entstehung eines Schultraumas begünstigen. Die folgenden Situationen sind jedoch typisch für eine nachhaltige Prägung der Seele der Betroffenen:

Verletzende Äußerungen von Lehrkräften, die das Selbstbewusstsein untergraben

Machtmissbrauch durch Lehrer, ohne dass Mitschüler:innen helfen

Mobbing durch Mitschüler:innen, ohne dass Lehrkräfte helfen

Erwachsene, die eines oder mehrere der folgenden Symptome bei sich wahrnehmen und zudem negative Erinnerungen an ihre Schulzeit haben, könnten an einem Trauma leiden, das auf ihrer Schulzeit beruht:

Schnelles Rotwerden

Herzrasen & Atemnot

Schreckhaftigkeit

Appetitverlust / Übelkeit / Verdauungsstörungen

Undefinierte Bauchschmerzen

Panikattacken

Unkontrolliertes Weinen

Emotionale Taubheit

Schlaflosigkeit / mangelnde Konzentration

Wortfindungs-Störungen / „sprachliches Entsetzen“

Wirksame Strategien zur langfristigen Trauma-Verarbeitung bei Erwachsenen

Die Bewältigung eines Traumas ist von Person zu Person unterschiedlich. Experten gehen davon aus, dass viele Erwachsene zutiefst negative Erfahrungen über Jahrzehnte hinweg verdrängen können – und je mehr Zeit verstreicht, desto komplizierter ist es, ein verborgenes Trauma wieder an die Oberfläche zu bringen. Eine professionelle Traumatherapie kann dabei helfen, das Erlebte bewusst zu machen und sich mit verdrängten Inhalten aus der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Sie bewirkt auch, dass Betroffene ihren Blick wieder auf positive Ereignisse richten können – beispielsweise auf Mitschüler:innen, Lehrkräfte und Eltern, die ihnen in dieser schwierigen Phase unterstützend zur Seite gestanden haben.

  • Den Prozess unterstützen kann außerdem, wenn sich Betroffene auf einer wissenschaftlichen Ebene mit dem Erlebten beschäftigen, um es in einen größeren Zusammenhang einzuordnen – beispielswiese mithilfe einschlägiger Literatur oder Experten-Vorträgen zu dem Thema.
  • Experten empfehlen zudem, Aktivitäten, die die Eltern- aus ihrer eigenen Schulzeit in negativer Erinnerung haben – beispielsweise das Erlernen neuer Sprachen oder sportliche Aktivitäten – mit ihren Kindern noch einmal bewusst zu üben. Durch diese aktive Auseinandersetzung mit traumatischen Ereignissen fällt es den Eltern leichter, diese zu verarbeiten.

Außerdem können auch schon kleine Aktivitäten, Betroffenen dabei helfen, ein angenehmes Lebensgefühl zurückzubringen. So empfiehlt Mühlenhof:

  • Duschen im Dunkeln, um Abstand vom hektischen Alltag zu gewinnen und den Fokus auf den Körper und das wohltuende Gefühl des warmen Wassers zu legen.
  • Auch Zeit in der Natur zu verbringen und die Beruhigung durch Sonne, Pflanzen und frischer Luft unterstützend zu nutzen, um neue Lebensfreude zu erlangen
  • Das Ansehen alter Fotos hilft dabei, sich zu erinnern, welchen Weg die Betroffenen bereits zurückgelegt haben und welche Krisen sie auf ihrem Weg gemeistert haben
  • Nicht zuletzt vermittelt eine aufgeräumte und schön dekorierte Wohnung Sicherheit und Geborgenheit, z.B. mithilfe von Lieblingspflanzen oder Duftkerzen

Dunkle Erinnerungen der Schulzeit hinter sich lassen

Vielen Betroffenen hilft es außerdem, sich bewusst zu werden, dass sie nicht allein sind, sondern dass negative Erinnerungen an die Schulzeit weit verbreitet sind. Auch Menschen, die heute erfolgreich und beliebt sind, können von einem Schultrauma betroffen sein – so zum Beispiel auch der Schauspieler Christian Ulmen. In einem Interview mit der Zeitschrift „Neon“ erzählte er, dass auch er an einem Schultrauma leidet[2]. Seiner Meinung nach würde der Druck auf Schüler aktuell immer mehr zunehmen. Für Eltern bedeutet das, besonders aufmerksam gegenüber ihren Kindern zu sein und ihnen die Unterstützung zu geben, die sie selbst vielleicht nicht immer bekommen haben. Denn, so der Schauspieler: „Mit Angst lernt man nicht.“

Verwendete Quellen im Überblick


[0][1] Mira C. Mühlenhof: Lass die Schatten der Schulzeit hinter dir. Februar 2022, 286 Seiten, mvgverlag, 17 Euro, ISBN 978-3-7474-0343-3
[2] Schauspieler Christian Ulmen: „Ich habe mein Schultrauma besiegt“ | News4teachers

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